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Kritik an „Tauben im Gras“ als Pflichtlektüre im BW-Abitur

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Die Jusos Heidelberg kritisieren die Einführung des Romans “Tauben im Gras” als Teil des Lektürenkanons im baden-württembergischen Abitur. Der Roman beinhaltet zahlreiche rassistische Stereotypen und vermittelt ein Menschenbild, in dem Personen mit Migrationshintergrund als minderwertig und rückständig bezeichnet werden. Die Konfrontation gerade rassismusbetroffener Schüler*innen mit dieser Lektüre ist aus unserer Sicht nicht zumutbar. Auch der neueste Beschluss des Kultusministeriums, die Entscheidung über die Lektüre den Lehrer*innen zu überlassen, ist inakzeptabel. Die Schüler*innen erhalten dadurch nach wie vor nicht die freie Entscheidung, ob sie sich dem Thema Rassismus über diese diskriminierende Lektüre nähern wollen, oder nicht. Zudem greift diese Regelung erst für die Abiturjahrgänge ab dem Jahr 2025. Wir fordern daher, den Roman bereits für den Abiturjahrgang 2024 gänzlich durch eine andere Lektüre zu ersetzen.

Der Umgang des Kultusministeriums mit „Tauben im Gras“

Seitens des Kultusministeriums Baden-Württemberg wurde die Entscheidung getroffen, den Roman „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppen als Pflichtlektüre der Abiturjahrgänge ab dem Jahr 2024 an beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg einzuführen.

Der Roman spielt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und vermittelt ein Bild einer Stadt, die von Trümmern und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Er erzählt die Geschichte von über 30 Protagonist*innen, die versuchen, sich im Chaos zurechtzufinden. Der Autor bedient sich dabei rassistischer Sprache, um die Einstellungen und Wertvorstellungen der Figuren auszudrücken. Dabei findet beispielsweise das rassistische N-Wort über 100-mal Verwendung.

Nach Protesten von Lehrpersonal und Schüler*innenvertretungen, hat das Kultusministerium nun reagiert und will die Entscheidung über die Lektüre ab dem Abiturjahrgang 2025 den Lehrer*innen überlassen. 1 Auch mit dieser Entscheidung wird die Freiheit, sich mit der diskriminierenden Lektüre zu befassen nicht den Schüler*innen selbst überlassen, sondern schiebt die die Verantwortung für Diskriminierungserfahrungen dem Lehrpersonal zu. Zudem greift die Neuregelung erst ab 2025 und lässt die Situation für den Abiturjahrgang 2024 damit unverändert.

„Tauben im Gras“ reproduziert Rassismus, statt ihn zu kritisieren:

Es ist wichtig, beim Thema Rassismus auch die deutsche Gesellschaft in der Nachkriegszeit zu thematisieren und zu hinterfragen, jedoch eignet sich der Roman „Tauben im Gras“ dazu nicht. Der Roman beinhaltet zahlreiche rassistische Stereotypen und Vorurteile, die zur Verbreitung von Rassismus beitragen. Die Darstellung von Personen mit Migrationshintergrund ist höchst problematisch. Die Figuren werden als minderwertig und kulturell rückständig dargestellt, was zur Weiterverbreitung von rassistischen Denkmustern beiträgt und diese normalisiert.

Der Großteil des Lehrpersonals ist auf eine rassismuskritische und sensible Darstellung der Lehrinhalte nicht ausreichend vorbereitet und auch seitens des Kultusministeriums bekommen die Lehrkräfte viel zu wenig Unterstützung und kritisches Lehrmaterial, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Eine unsensible Umgangsweise mit diesem Thema reproduziert rassistische Denkweisen und kann die Jugendlichen verletzen.

“Es ist völlig unverantwortlich, einen Roman wie “Tauben im Gras” als Abiturlektüre zu verwenden. Viele Schüler*innen werden sich durch die große Anzahl an menschenverachtenden und diskriminierenden Begriffen und die rassistischen Vorurteile, die im Roman transportiert werden, angegriffen fühlen. Ziel des Schulsystems muss es sein, Schüler*innen mit kontroversen Themen wie Rassismus und Antidiskriminierung in Kontakt zu bringen und sie zum kritischen Denken anzuregen, sie zu diesem Zweck aber rassistischer Diskriminierung auszusetzen, darf unser Schulsystem auf keinen Fall in Kauf nehmen”, so Jannick Schröder, Schüler und Mitglied der Jusos Heidelberg.

Die Lehrerin Jasmin Blunt aus Ulm, selbst von Rassismus betroffen, hat sich für dieses Jahr aus dem Schuldienst freistellen lassen, um die rassistischen und menschenverachtenden Denkmuster, die die Lektüre transportiert, nicht unterrichten zu müssen. Sie berichtet, dass diese Lektüre sie emotional sehr belastet habe und sie sich nicht vorstellen möchte, wie sich das für Schüler*innen, die sich selbst rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sehen, anfühlen muss. Weil das Problem seitens des Kultusministeriums nicht ernst genommen und behoben werde, überlege sie, ob sie für eine solche Institution überhaupt noch arbeiten könne.

“Es gibt viele andere Lektüren, an denen man das Thema Rassismus besser aufarbeiten kann als an diesem vermeintlich kritischen Roman. Mit seiner jüngsten Entscheidung schiebt das Kultusministerium die Verantwortung dafür einfach an das Lehrpersonal ab. Wir Jusos Heidelberg schließen uns daher der Forderung von Jasmin Blunt an und erwarten die sofortige Ersetzung dieses Romans im Lehrplan durch eine andere Abiturlektüre. Mehr noch, das Ministerium sollte Mut beweisen und der Diskriminierung im Schulunterricht den Kampf ansagen! Das Ziel sollte sein, in unseren Schulen einen diskriminierungsfreien Raum zu schaffen!”, sagt Gamze Kara, Sprecherin der Jusos Heidelberg. Gemeinsam verbannen wir den Rassismus aus unserem Schulalltag!