NEIN zur Verkürzung der Examenskampagnen
Die Jusos Heidelberg und die Juso Hochschulgruppe Heidelberg kritisieren die vom Landesjustizprüfungsamt Baden-Württemberg (LJPA) geplante, schrittweise Verkürzung der Examenskampagnen in der Ersten Juristischen Prüfung (erstes Staatsexamen) von zehn auf acht Tage unter Halbierung der Ruhezeiten zwischen den Klausuren. Diese erhöht ohne Not die psychischen und körperlichen Belastungen, die im Jurastudium ohnehin schon immens sind und regelmäßig in psychischen Erkrankungen resultieren.
Die Examenskampagne im ersten Staatsexamen dauert zehn Tage an und umfasst insgesamt vier Ruhetage zwischen den einzelnen Klausuren. Ab der Examenskampagne Herbst 2023 sollen die Ruhezeiten auf drei und im Frühjahr 2024 schließlich auf zwei Tage verkürzt werden. Der Ständige Ausschuss, der das LJPA in „Ausbildungs- und Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung“ berät, habe diese Verkürzung vorgeschlagen. Zur Begründung führt das LJPA aus, dass so die Anmietung von Räumlichkeiten für die Examenskampagne erleichtert werde. Negative Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit der Kandidat*innen seien laut LJPA nicht zu erwarten.
Die Situation von Jurastudierenden ist seit Jahren und Jahrzehnten bekannt und von immensem psychischem und körperlichem Druck gekennzeichnet. So geben 39 % der Befragten an, sie hätten kaum oder gar keine Zeit für Entspannung oder Ausgleich neben dem Studium. Der Grund liegt in der Struktur des Studiums und dem Prüfungsmodus mit sechs fünfstündigen Klausuren, welche die Examensnote und so das berufliche Fortkommen maßgeblich bestimmen. Es verwundert daher nicht, dass das Studium für viele Studierende geprägt ist von psychischem Druck, negativen Emotionen und der Angst, das Examen nicht zu bestehen.
Reagiert wurde auf die Sorgen und Nöte vonseiten des LJPA in keiner Weise. Es überzeugt nicht, wenn das LJPA die Verkürzung mit einem Gewinn an Flexibilität bei der Anmietung von Räumen für die Examenskampagnen begründet. Denn die Prüfungstermine stehen schon mehrere Jahre im Voraus fest – das LJPA hat also genügend Zeit, um geeignete Räume zu suchen und anzumieten! Stattdessen erhöht die Verkürzung auf der anderen Seite ohne Not den Druck auf die Kandidat*innen. Dabei entsteht der Eindruck, dass Einsparungen auf Kosten der Studierenden rücksichtslos durchgesetzt werden sollen.
„Ein solch immenser physischer und psychischer Druck im Studium ist kontraproduktiv und schadet Studierenden langfristig“, so Konstantin Nill, Sprecher der Juso Hochschulgruppe, „die Entscheidung des LJPA zeigt, wie wenig präsent das Thema Mental Health im Studium im Allgemeinen und im Jurastudium im Speziellen ist.“
„Es ist absurd, zu glauben, dass eine Halbierung der Ruhezeiten zwischen den kraftraubenden Klausuren nicht mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kandidat*innen einhergehe“, so Marvin Frank, Sprecher der Jusos Heidelberg und Rechtsreferendar am Landgericht Mosbach, „in einer Zeit, in der sich grundsätzliche Fragen zur Modernisierung der juristischen Ausbildung stellen und notwendige Reformen für Studium und Referendariat zu Themen wie Digitalisierung, Praxisorientierung und Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit auf den Weg zu bringen sind, schafft es das LJPA, in ständiger Verkennung der prekären Situation von Studierenden und Referendar*innen, den auf ihnen lastenden Druck ohne Not sogar noch zu erhöhen.“
„Diese Entscheidung des LJPA überrascht wenig, wenn man bedenkt, dass die Jurastudierenden nicht im Ständigen Ausschuss vertreten sind und ihre Perspektive selbst in ‚Ausbildungs- und Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung‘ deshalb völlig außer Acht gelassen wird“, so Gamze Kara, Sprecherin der Jusos Heidelberg, Jurastudentin und studentisches Mitglied des Fakultätsrates der Juristischen Fakultät an der Universität Heidelberg, „wir fordern ein Umdenken im LJPA: der Fokus muss jetzt auf der Verbesserung der Situation für Studierende und Referendar*innen liegen und nicht auf lebensfremdem, organisatorischem und finanziellem Kalkül. Justizministerium und LJPA müssen die juristische Ausbildung endlich ins 21. Jahrhundert katapultieren und ihrer Verantwortung gegenüber Studierenden und Referendar*innen gerecht werden, statt sich den Sorgen und Nöten der Betroffenen zu verschließen.“
Die Jusos Heidelberg und die Juso Hochschulgruppe Heidelberg schließen sich daher den Forderungen des Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Freiburg und der Kritischen Jurist*innen Heidelberg an das LJPA an, die Verkürzung des Prüfungszeitraums zurückzunehmen, fünf studentische Mitglieder in den Ständigen Ausschuss aufzunehmen und das sogenannte Abschichten der Examensklausuren für alle Kandidat*innen einzuführen.